"Es wird keine WM geben" *
*Der Slogan der brasilianischen Protestler gegen die sozialen Missstände und der sinnfreien Milliardenausgaben für die Fußballweltmeisterschaft in wenigen Wochen.
Um es vorweg zu sagen: Ich bin auch gegen diese Fußball WM!
Früher habe ich mir wenig Gedanken über die Vergabe und die Kosten eines solchen Fußballweltturniers gemacht. Seit Südafrika und der dubiosen Vergabe der WM 2020 nach Katar habe ich jedoch einige Skrupel und Zweifel.
Ich bin mittlerweile sogar grundsätzlich gegen jedes in Mega-Kosten ausufernde sportliche Großevent, sei es Fußball WM oder EM, Olympiaden und sonstige Weltmeisterschaften, die in ein Land vergeben werden und wobei sich das ausrichtende IOC, die FIFA, die UEFA oder wie sie sonst noch heißen, einen feuchten Kehricht um die Milliarden Ausgaben für die Stadien und die Infrastruktur des gastgebenden Staates kümmern.
Stattdessen fordern diese Monopolisten jede Menge an Vorausleistungen, setzen sich in das gemachte Nest, kassieren reichlich ab und hinterlassen den Gastgebern nach dem Ereignis die Schulden und die verbrannte Erde.
Beispielsweise belaufen sich die Kosten für die FIFA Fußball Weltmeisterschaft in Brasilien derzeit auf geschätzte 11 Milliarden Euro! Das ist doch der Wahnsinn!
Seit Wochen, eigentlich schon seit einem Jahr, protestieren die Brasilianer gegen die Wohnungsnot, gegen die hohen Lebenshaltungskosten, fehlendes Bildungs- und Gesundheitswesen und natürlich gegen die Prestigeveranstaltungen wie die WM und die Olympiade 2016, die ebenfalls in Brasilien stattfinden wird. Diese Proteste führen zu Rekordstaus durch Streiks der Busfahrer und Schaffner und Ausschreitungen in verschieden Großstädten, wie Sao Paulo und Rio de Janeiro.
In Manaus im Amazonasgebiet wurde ein WM Stadion (Arena da Amazonia) für 4 Spiele gebaut, obwohl die Stadt noch nicht mal über einen Fußballverein in den ersten 3 Ligen verfügt. Die Fertigstellungskosten belaufen sich auf ca 210 Millionen Euro. Über die weitere Nutzung des Stadions und die Folgekosten ist nichts bekannt. Selbst der Schweizer Nationaltrainer Ottmar Hitzfeld hatte den Austragungsort und die dort herrschenden extrem tropischen Bedingungen kritisiert.
Arena da Amazonia Manaus |
Auch in den Spielorten Brasilia, Natal und Cuiaba gibt es keine Erstligateams, die die Stadien nach der WM nutzen könnten.
Zur Verdeutlichung der Auflagen der FIFA einige Beispiele:
-In allen Städten müssen FIFA Fan Feste TM stattfinden. Diese Fanfeste sind von der FIFA lizenziert, allerdings beteiligt sie sich nicht an den Kosten. Die Ausgaben trägt selbstverständlich der Ausrichter, sprich die jeweilige Stadt oder die öffentliche Hand. Sollten die Vorgaben nicht erfüllt werden, drohen Klagen durch den Weltverband.
-Extra für das WM erlassene Sondergesetze regeln die strengen Vorgaben der FIFA und garantieren die Steuerfreiheit für den "gemeinnützigen" Weltfußballverband.
Durch diese Regelungen, u.a. sämtliche Produkte steuerfrei verkaufen zu können, konnte die FIFA 2010 in Südafrika einen Gewinn in Höhe von 2,3 Milliarden Euro einfahren. Im Vergleich dazu: Der Verlust Südafrikas betrug 2,7 Milliarden Euro. 6 der so genannten Weißen Riesen = Stadien die für WM gebaut wurden, werden kaum oder gar nicht mehr genutzt und sind Verlustobjekte, die mehr Unterhalt kosten als das sie einnehmen können.
Seit Jahren warnen Ökonome vor den Erwartungen, dass das Gastgeberland von der WM profitieren könne. Die Ausrichtung sei eher ein Null-Event oder ein Minusgeschäft. 2006 und 2010 sei das Wirtschaftswachstum in Deutschland und Südafrika lediglich um 0,4% gestiegen.
-Während der Spiele müssen alle anderen Bauvorhaben in den Austragungsorten ruhen, Bannmeilen um die Stadien entstehen, Geschäfte geschlossen werden, konkurrierende Firmenlogos abgedeckt werden, traditionelle Veranstaltungen wie Musikkonzerte, Kirmes oder Pferderennen müssen verlegt werden und ganze Straßen gesperrt werden, damit die FIFA Funktionäre und ihre Gäste über Sonderwege störungsfrei zu den Stadien gelangen können.
-Bei der Fußball WM in Deutschland hatte die FIFA Delegation in Dortmund eine überdachte Brücke von der Westfalenhalle über die Strobelallee ins Westfalenstadion für VIP und die Pressevertreter gefordert. Die Kosten sollte die Stadt Dortmund tragen. Das U auf der Westfalenhalle als Logo der Dortmunder Union Brauerei war auch ein Stein des Anstoßes. Da es nicht der von der FIFA lizenzierten Biermarke entsprach, sollte das denkmalgeschützte Wahrzeichen entfernt werden. Beide Forderungen wurden vom Ausrichter aber glücklicherweise nicht erfüllt.
Brasilien gibt offiziell über 600 Millionen Euro für die Sicherheit während der Spiele aus. 150.000 Sicherheitskräfte sollen die Fußballspiele schützen und Krawalle verhindern. Hinter vor gehaltener Hand wird von einer Milliarde Euro für Sicherheitsmaßnahmen gesprochen. Alleine die neue Sicherheitskommandozentrale in Rio de Janeiro hat 200 Millionen gekostet. Solche Zentren gibt in allen 11 weiteren Spielorten auch.
So ein Groß-Event ist übrigens auch ein willkommener Vorwand für den Staat unpopuläre Maßnahmen durchzudrücken. In Sao Paulo hat sich beispielsweise die Anzahl der Überwachungskameras in der Innenstadt von 50 auf 1500 verdreißigfacht! Das wäre ohne das Argument der Sicherheitsgewährung während der WM sicher nicht realisierbar gewesen.
Ein weiteres Novuum bringt die FIFA WM Brasil auch noch mit sich: Erstmalig in der Geschichte von Fußballweltmeisterschaften werden die Dopingproben nicht in einem Labor des Landes ausgewertet, sondern täglich in die Schweiz geflogen und in einem FIFA Labor in Lausanne analysiert. Das bringt wiederum ein neues Problem mit sich: Es könnte zu zeitlichen Verzögerungen kommen, sodass die Proben vor dem nächsten Spieltag noch nicht abschließend ausgewertet wurden und ein eventuell positiv getesteter Spieler nicht gesperrt werden konnte, sondern noch unrechtmäßig auf dem Feld steht. Ein unmöglicher Vorgang.
Zum anderen hat die FIFA die absolute Kontrolle über die Dopingproben in ihrem Labor in der Schweiz. Was dort vor sich geht, wissen nur die Verantwortlichen des Weltfußballverbandes. Sind so unabhängige und unparteiische Kontrollen überhaupt noch gewährleistet? Ich habe da so meine Zweifel.
Es wird keine WM (für mich) geben...
Quellen:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/fussball-wm-in-brasilien-proteste-in-sao-paulo-gegen-hohe-kosten-a-971227.html
http://www.sueddeutsche.de/news/sport/fussball-cacau-unterstuetzt-wm-proteste-in-brasilien-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-140524-99-01300
http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-05/protest-wm-brasilien
http://www.sueddeutsche.de/news/sport/fussball-fifa-in-allen-wm-staedten-muessen-fanfeste-stattfinden-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-140424-99-08170
http://www.zeit.de/sport/2014-05/fussball-weltmeisterschaft-brasilien-wirtschaft-fifa
http://www.handelsblatt.com/politik/international/fussball-weltmeisterschaft-brasilien-investiert-628-millionen-euro-in-die-sicherheit/9943434.html
http://www.rp-online.de/sport/fussball/wm/brasilien-wir-lieben-fussball-wir-hassen-die-wm-aid-1.4253798
http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.wm-serie-die-fifa-sitzt-auf-einem-pulverfass.4ca94cd9-21a1-442d-aea4-ca7a61e2701e.html
http://www.tagesschau.de/sport/wmdoping100.html
http://www.ran.de/fussball/weltmeisterschaft/news/wm-2014-fifa-spielt-auch-abbruch-szenarien-durch-125651
http://www.tagesspiegel.de/sport/fussball-wm-die-fifa-regiert-das-land-verliert/4685734.html
http://www.deutschlandfunk.de/fussball-wm-2014-sicherheitsnetz-fuer-brasilien.1346.de.html?dram:article_id=278919
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